Donnerstag, 17. Mai 2012

fr-online zitate


Staatstheater Mainz


Katja Hirsch
Worüber mancher längst nicht mehr lacht, bleibt in Helmut Köppings Theaterprojekt "Weck mich auf, bevor du gehst" am Ende doch eher ein Spaß. Es geht um den Berufsalltag.
Die Zuschauer treffen sich im Mainzer Novotel, wo sie einem echten Hoteldirektor begegnen können sowie einem Schauspieler in der Rolle eines Hoteldirektors. Sie sind praktisch nicht voneinander zu unterscheiden. In einem Konferenzraum stellt sich die Schauspielerin Katja Hirsch als Dokumentarfilmerin vor. Sie befasst sich mit dem Themenbereich Wildnis & Arbeit, unter besonderer Berücksichtigung des Amerikaners Tim Treadwell. Viele Sommer verbrachte er unter Bären, bevor diese ihn 2003 töteten.
Aaufführung
Staatstheater Mainz: 26. Juni. www.staatstheater-mainz.de
Jetzt stellen sich Hotelangestellte vor, Schauspieler also, die Hotelangestellte spielen. Während sie von ihren Aufgaben sprechen, bewegen sie sich genussvoll an der Grenze zwischen Natürlichkeit und jener Nuance, die das in die Parodie kippen lässt. Sie imitieren eine Talkshow-Wirklichkeit, in der Menschen ja ständig quasi sich selbst spielen. Nun wüsste man gerne, was die echten Hotelangestellten dazu sagen. Aber schon geht es hinaus ins Freie auf einen Rundgang durch ein Mainzer Wohnviertel, das sich kein Kulissenbauer besser hätte ausdenken können.
Eine Ausgrabungsstätte wird dabei zur Bärengrube, in der die Filmerin Kontakt zu einem als Bären verkleideten arbeitslosen Schauspieler (Lorenz Klee) aufzunehmen versucht. In einem bunt gekachelten Wasserbassin lernen wir flüchtig Tims Eltern kennen. Eichhörnchen Willy sei sein Freund gewesen, erzählen sie. In einer Platane mit Blick über die Stadt hockt Katharina Knap als Baumbesetzerin und Tims frühere Freundin und politisiert.
Auf der Studiobühne Tic, die wir umgeben von mit Fähnchen winkenden Führern, schließlich erreichen, erzählen die unechten Arbeitnehmer im Dschungelcamp-Ambiente noch einmal ausführlicher von sich. "Ich brenne für diesen Beruf", sagt der Koch (Thomas Kornack), und sein Lieblingslehrling (Felix Mühlen) sagt: "Wenn mein Chef sagt, spring' vom Hochhaus, dann mach' ich das." Das sind große Momente in einer witzigen, aber doch richtungslosen Aneinanderreihung von Assoziationen. Wer gehofft hat, Schrecken und Wucht des modernen Lebens zu begegnen (Wildnis & Arbeit!), geht leer aus.
Den Redefluss der Beteiligten kann die Filmerin dabei kaum in den Griff bekommen. In der Tat: Der Mensch redet so lange, bis ihm garantiert niemand mehr zuhört.